Interview mit Nikos Papazoglou
(im Difono Nr.123, 1.2006, Ausschnitt)
Nikos, elf Jahre - ist das nicht eine lange Zeit ohne neue CD?
Doch, es ist lang. Obschon, ich habe nicht aufgehört zu arbeiten, an meiner Musik, all diese Jahre. Da waren aber einige unglückliche Umstände, die mich weit zurück warfen und die zu kontrollieren ausserhalb meiner Möglichkeiten lagen. Das Texten jedoch ging sehr gut und die letzten beiden Jahre kam ich zum Schluss: "Ich werde arbeiten, es geht nicht mehr so weiter."
Bei der Taufe der neuen CD sagtest du: "Ich habe nicht experimentiert, das wäre wie Nestbeschmutzung." Und das sagt der Gleiche, der "Charatsi" und "Meso Nefon" geschrieben hat.
Ich sage dir, warum ich so geantwortet habe. Es ist unmöglich, das Lied "Monacho ton anthropo" (Der einsame Mensch) zu singen mit Saxophon-Begleitung. Das geht doch nicht, oder?! Ich habe experimentiert und meinen Liedern die elektrische Gitarre hinzugefügt, mit all ihrer Vielfältigkeit. Manche haben das gut und kreativ aufgenommen, andere kritisierten das. Gefragt sind aber nicht Experimente, sondern einige gute Lieder.
Hinterlässt du uns einige gute Lieder?
Es hat sich etwas getan, es sind einige geblieben. Ausserdem war ich derjenige, der damals eine Art "gemischt und legal" vorgeschlagen hat, laut Solomos. Solomos war damals noch nie in Griechenland gewesen und nur der italienischen Sprache kundig, trotzdem sagte er: "Mit der Herkunft die ich habe und meiner Liebe zu Griechenland würde ich gerne haben, dass eine Art ‚gemischt und legal' entsteht.
Das Gleiche habe auch ich gemacht, denn früher spielte ich in elektrischen Bands, aber irgendwann wurde ich meiner griechischen Muttersprache gewahr. Das war zu jener Zeit, als ich mit der tollen Clique um Rassoulis, Simotas und Savvopoulos zusammenkam.
Ich erinnere mich, dass ich damals das Lied "Ragizi apopse i kardia" mit Texten von Simotas machte. Das Lied hatte man noch nirgends gespielt, man hörte es zum ersten Mal von einer Kassette, an der Hochzeit von Simotas. An der Reaktion des Publikums erkannte ich, dass sich etwas tut. Genauso fühlte ich mich an meinem ersten Konzert 1981 an der Universität von Thessaloniki. Die Studenten im Hörsaal kannten alle Lieder auswendig. An diesem Abend machte ich kein Auge zu.
Später vertiefte ich mich mehr in die Tradition. Jetzt, könnte man sagen, liebe ich besonders die traditionellen Lieder.
Existiert diese Art von "gemischt und legal" heutzutage im griechischen Lied?
Nein, es gibt diesen Stil nicht, denn inzwischen erschien etwas, das man allgemein als "Ethno" bezeichnet und das Ganze bekam eine andere Wendung.
Vielleicht wäre daraus auch etwas Interessantes entstanden, aber was immer heute in diese Richtung geht, wird automatisch diesem Unsinn zugeordnet.
Warum Unsinn?
Weil es ein Werbetrick ist, der niemand interessiert. Die Inspiration der Angelsachsen versiegte und sie begannen, mit ihrer bekannten Taktik von allen Seiten zu stehlen.
Schliesst du also die Möglichkeit aus, dass Künstler mit verschiedenen Kulturen etwas Neues entwerfen können?
Natürlich nicht, es wird selbstverständlich Interessantes entstehen. Ich spreche über etwas, das eigennützig ist und eine zeitgenössische Kolonialisierung der Musikszene darstellt.
Wo würdest du dich selbst in der griechischen Musikszene einordnen?
Das, was ich mache, ist eine Eigentümlichkeit, die ich von vielen Seiten erworben habe und der Grund, dass ich die Lieder alleine mache, ist der Wunsch, dass das Lied zu mir passt. Ich kann keine Kindergartenmelodien mit nur fünf bis sechs Noten singen. Ich will, dass mein ganzer Körper mitfühlt, wenn ich singe.
Was hat deine Generation bisher der Musik hinterlassen?
Zumindest hat sie sie fortgeführt, denn es gibt ja Länder, die überhaupt keine neue Musik mehr komponieren. Als "I ekdikisi tis giftias" herauskam, hatten wir zwei Radiostationen. Die eine gab uns die Platte zurück mit der Begründung, dass diese Musik national unannehmbar sei und die andere spielte sie nie.
Damals kümmerte ich mich persönlich mit Präsentationen in ganz Griechenland um die Bekanntmachung der Platte. Das ist so heute nicht mehr machbar, denn die Kosten sind zu hoch. Voriges Jahr ging ich nicht auf Tournee, denn ich hätte jemanden finden müssen, der mit grossen fetten Buchstaben auf meinem Konzertplakat für seine Produkte wirbt.
Was hast du gegen Sponsoren?
Ich möchte nicht, dass wir uns wie die Basketballspieler demütigen.
Findest du das demütigend?
Auf jeden Fall! Dass da zum Beispiel Sato-Aris steht, der Name des Sponsors also vor dem Namen deiner Mannschaft...
Wenn dir das aber hilft, deine Arbeit besser zu machen?
Nein, nein, ich werde einen anderen Weg finden. Ich bin den Widerstand gewohnt.
Der... Widerstand beginnt bei deinem Landstück in Thermi (Aussenbezirk Thessalonikis)?
Ja, aber ich werde seinen Sitz auf die Insel Nisyros verlegen, damit mich niemand erreichen kann.
Je ferner desto besser?
Ja natürlich. Ich habe mir viel erspart, da ich aus Thessaloniki stamme.
Meinst du das im Ernst, mit deinem neuen Wohnsitz auf Nisyros?
Alles schon vorbereitet und im Griff. Ein fertiges Haus mit Studio, mit allem.
Benutzt du immer noch dein Flugzeug?
Ich finde viel Gemeinsames, sowohl beim Segeln, beim Singen wie auch beim Fliegen. Es ist das Gefühl, dass man in dem Moment das macht, was man will. So wie die alten Leute mit dem Komboloi, jeder auf seine Art und in seinem Rhythmus. Genauso. Sie machen aus der Zeit, was ihnen gefällt.
Was würdest du an Lebenserfahrung mit uns teilen?
Alles mögliche, genau aus diesem Grund schreibe ich Lieder, um das mit euch zu teilen.
Ausser den Liedern?
Ich würde sehr gerne für euch kochen.
Genügt dir die Zeit?
Es ist nicht nur so, dass sie mir nicht genügt, ich stehle noch dazu... Wenn ich im Stress bin, gehe ich hier nebenan in den Krämerladen oder in's Café und ziehe mich zurück. Ich habe auch zwei Freunde, der eine ist Tapezierer und der andere ist Instrumentenbauer. Bei Ihnen verschwinde ich ab und zu für eine Weile. Einer meiner besten Momente ist aber auch, wenn ich einen Arbeitstag in der Werkstatt an der Drehbank werke.
Wie geht es mit deinem Studio "Agrotikon"?
Ausgezeichnet, wir haben auch neue Geräte und es hat seine zweite Blütezeit. Wenn es Räder besässe, könnte ich es nach Athen karren und damit ein tolles Geschäft machen.
Und die Entfernung zur Hauptstadt?
Ja, es ist nämlich so: alle aus Thessaloniki, die mit irgendetwas erfolgreich sind, werden zu Athenern und langsam langsam verwaisen wir.
Das rote Halstuch gibt es noch?
Ja, klar.
Welche Geschichte steckt dahinter?
Das erste brachte mir 1970 eine Amerikanerin.
Und da es ein Geschenk von einem Mädchen war, konntest du dich nicht mehr davon trennen?
Nein, ich hatte immer schon ein Taschentuch bei mir, denn als kleines Kind fragte mich meine Mutter immer bevor ich aus der Tür ging: "Hast du ein Taschentuch dabei?" Denn sonst landete der Rotz auf dem Ärmel. Daher ersetzte ich später einfach mein Kinder-Taschentuch durch ein rotes Halstuch.
Wirst du deine neuen Lieder live präsentieren?
Ja, auf jeden Fall. Aber es gibt noch nichts Ankündbares. Ich möchte mich zuerst einmal einen Monat lang hinlegen und dann sehen wir weiter.
Was hast du in diesen Tagen in Athen gesehen?
Ich sah sehr hübsche Mädchen.
Janni Lolou
(Übersetzung Eleanna Rogala)